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Trittweid

Trittweid

Als die Nidwaldner die Schwand als Verteidigungsstellung nicht mehr halten konnten, zogen sie sich notgedrungen weiter den Bürgenberg hinauf, in die Trittweid. Zu diesem Trupp von etwa zehn Mann gehörte auch Schütz Christen, der zu Beginn unten beim Hüttenort eingeteilt war. – Der Name «Trittweid» wird oft gleichbedeutend verwendet mit «Weide».
Trittweid
➛ Yves Blanchard, Tirailleur
➛ Meinrad Wymann, Scharfschütze

Yves Blanchard, Tirailleur

«Nicht wir Franzosen sollen diesen Krieg bezahlen, sondern jene, die uns keine andere Wahl gelassen haben!»
fiktive Aussage aufgrund mehrerer Quellen
Ludwig Hess
Ludwig Hess (1760–1800), Plünderung, Requisition und Frondienst in dem freien Helvetien, 1798 (Ausschnitt)
Zentralbibliothek Zürich
«General Brune versprach Ende Februar 1798 den Nidwaldnern, ihr Eigentum werde geschont. Aber der Wind hat gedreht. Neu heisst es, dass sich unsere Truppen von dem Lande ernähren sollen, welches sie besetzt halten. Also, her mit dem Vieh, her mit dem Getreide! Wir nehmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist!»
mehrere Quellen aus: Wilhelm Oechsli: Quellenbuch zur Schweizergeschichte. Zürich 1901, S. 563f.

Geschichte weiterdenken

Glauben Sie einem General, der vor dem Krieg verspricht, das Eigentum im besetzten Gebiet werde nicht angetastet?

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Der Titel des Bildes erklärt fast alles

Ludwig Hess
Ludwig Hess (1760–1800), Plünderung, Requisition und Frondienst in dem freien Helvetien, 1798
Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung Ms K 2a

«Plünderung, Requisition und Frondienst in dem freien Helvetien», so lautet die Legende, die der Maler Ludwig Hess seiner Darstellung aus dem Jahr 1798 gab. Es sind drei wichtige Hinweise.

Plünderung: Im Vordergrund unten links trägt ein französischer Soldat einen schweren Sack mit Raubgut weg.

Requisition: Trotz der flehentlichen Bitten von zwei Kindern, einem Buben und einem Mädchen, und obwohl der Bauer seine Kuh festhält, kennt der französische Soldat keine Gnade. Bereits hat er die Hand am Säbel. Bewacht von einem Soldaten, wird ein mächtiges Fuder abtransportiert.

Frondienst: Im Hintergrund sind Einheimische zwangsverpflichtet, bei einem Hausbau mitzuhelfen. Ein französischer Beamter leitet die Arbeiten, ein gutes Dutzend Leute wird eingespannt für verschiedene Tätigkeiten. Aus Nidwalden gibt es in jener Zeit keine Nachrichten über solche Frondienste.

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Französische Truppen in der Schweiz: Theorie und Praxis

Theorie

Payerne, 28. Februar: Der Divisionsgeneral Brune, Befehlshaber der Truppen der französischen Republik an den Grenzen der Schweiz, an die Bevölkerung des Kantons Bern und der andern Teile der helvetischen Eidgenossenschaft: Die braven Soldaten, die ich die Ehre habe zu kommandieren, sind gezwungen, einen Teil eures Gebietes zu betreten; schöpfet daraus keinen Argwohn, sie sind eure Freunde, eure Brüder; sie stehen unter den Waffen gegen die Tyrannei, die euch unterdrückt. Wenn sie dieselbe bestrafen, so brennen sie nur vor Begierde, euch das ruchlose Joch derselben zerbrechen zu helfen. Von dem natürlichen Rechte, Gewalt mit Gewalt abzutreiben, Gebrauch machend, und im Namen des Vollziehungsdirektoriums die ihm durch die Verfassung im Fall des Beginns von Feindseligkeiten auferlegte Pflicht erfüllend, verfolge ich die Angreifer, betrete ich dieses Land, das die Regierung von Bern in Knechtschaft hält. Eure Bedrücker, eure grausamsten Feinde werden sich rühren, um euch die Furcht einzuflössen, dass die französische Republik diesen Anlass ergreifen werde, um ihr Gebiet auf Kosten des euern zu vergrössern.

Eure edlen und hochherzigen Seelen werden diese hinterlistigen Einflüsterungen von sich weisen. Nein, die französische Republik will nichts von alledem sich aneignen, was zur helvetischen Eidgenossenschaft gehört. Weder der Ehrgeiz noch die Habgier werden den Schritt entehren, den ich heute in ihrem Namen thue. Nicht als Eroberer, nur als Freund der würdigen Nachkommen Wilhelm Tells, nur um die schuldigen Räuber eurer Souveränetät zu strafen, befinde ich mich in diesem Augenblicke mitten unter euch.

Fern sei also von euch jede Sorge um eure persönliche Sicherheit, euer Eigentum, euren Gottesdienst, eure politische Unabhängigkeit, um die Integrität eures Gebietes! Die französische Regierung, deren Organ ich bin, verbürgt sie euch; und ihre Befehle werden gewissenhaft von meinen Waffenbrüdern beobachtet werden; ich schwöre darauf bei ihrer Liebe zur Freiheit und bei dem Ruhm, mit dem sie sich für dieselbe kämpfend, bedeckt haben.

Seid frei! Die französische Republik ladet euch dazu ein; die Natur befiehlt es euch; und um es zu sein, braucht ihr nur zu wollen!

Wilhelm Oechsli: Quellenbuch zur Schweizergeschichte. Zürich 1901, S. 563f.
Praxis

Paris, 11. März: Der französische Kriegsminister an General Schauenburg: Ich melde Ihnen, dass es die Absicht des Direktoriums ist, dass unsere Truppen von dem Lande ernährt werden, welches sie besetzt halten.

Bern, 20. März: Brune an den Generalkommissär und den Chef des Generalstabs: Der Staatsschatz von Bern wird sofort nach der Verifikation in Fässer verpackt, um forttransportiert zu werden.

8. April: Der Regierungskommissair bei der Armee der fränkischen Republik in der Schweiz schlägt seinen Vorgesetzten vor:

Art. 1. Es wird von den Kantonen Bern, Freiburg, Solothurn, Lucern und Zürich eine Kriegs-Steuer von 15 Millionen fränkischen Livres, und von dem Kapitel in Lucern und den Abteien St. Urban und Einsiedeln eine Kriegs-Steuer von 1 Million erhoben.

Art. 4. Die Kriegs-Steuer von 15 Millionen wird einzig durch die alten Regenten, ihre Familien und durch die Schatzmeister der Regierungen bezahlt. 17. Dezember: Die Schätze Helvetiens haben dazu gedient, drei Millionen für den Feldzug Napoleon Bonapartes [nach Ägypten], 1‘500‘000 Franken für den rückständigen Sold der italienischen Armee, abgesehen von den nach Cisalpinien geschickten 400‘000 Franken, zu liefern, und doch haben wir uns während mehr als acht Monaten selbst erhalten. Die Kavallerie ist neu beritten, die ganze Armee ist genährt, gekleidet, besoldet worden, ohne dass es Frankreich einen Heller gekostet hätte. Unsere Armee hat sogar die Mittel, sich noch eine Zeitlang selbst zu genügen, sowohl durch den Restbetrag in ihrer Kasse, als durch das, was man aus dem noch ausstehenden Rest der Kontributionen ziehen kann.

Aus dem Bericht des französischen Oberkriegskommissärs an den französischen Finanzminister Ramel

Wilhelm Oechsli: Quellenbuch zur Schweizergeschichte. Zürich 1901, S. 563–622, zitiert nach: Das Werden der modernen Schweiz. Basel/Luzern 1996, Band 1, S. 19


Meinrad Wymann, Scharfschütze

«Wie kann es nur sein, dass uns die Franzosen so weit hinaufgedrängt haben. Ihre Übermacht ist zu gross!»
fiktive Aussage, gestützt auf mehrere Quellen
Vaterunser eines Unterwaldners
Aus dem «Vaterunser eines Unterwaldners», 1799, von Johann Martin Usteri (1763–1827) erfunden und von Marquard Wocher (1760–1830) gemalt (Ausschnitt)
Nidwaldner Museum, Stans
«In der Trittweid hatten wir acht Mann, dazu am Hammetschwand einen Beobachtungsposten. Wir sperrten den Weg, der vom See heraufführt, mit Steinhaufen. Beim Übersteigen solcher Hindernisse waren die Franzosen einen Moment schutzlos, und wir konnten viele aufhalten. Jene, die weiter hinaufstürmten, überwarfen wir mit ganzen Ladungen von Steinen.»
nach Franz Joseph Gut: Überfall. Stans 1862, S. 402f.

Geschichte weiterdenken

Was könnte einen Basler Maler nach den Kämpfen von 1798 dazu gebracht haben, einen Nidwaldner zu malen, der seinen eigenen Landsleuten das Haus anzündet?

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IWarum hat die Helvetik gerade im Erziehungswesen so viel unternommen?
Eine Ehrenmeldung für ein ungeliebtes politisches System

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Nidwaldner gegen Nidwaldner? Ein vielsagendes Bild – Kommentar

Vaterunser eines Unterwaldners
Aus dem «Vaterunser eines Unterwaldners», 1799, von Johann Martin Usteri (1763–1827) erfunden und von Marquard Wocher (1760–1830) gemalt
Nidwaldner Museum, Stans

Ein brennendes Haus, eine Alphütte, das Dach mit grossen Steinen beschwert, zwei französische Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten – aber bloss im Hintergrund. Im Vordergrund ein Älpler und ein junger Bursche, die beide bedroht werden von einem Zivilisten. Es handelt sich um einen helvetischen Regierungsvertreter, der die Franzosen gegen Nidwalden zu Hilfe gerufen hat. Der Ausdruck seines Gesichts scheint zwar entsetzt, dass es so weit kommen musste. Aber die brennende Fackel in seiner Hand weist ihn als Brandstifter aus. Sein Hut ist mit der helvetischen Kokarde geschmückt, die Parallele zur französischen Kokarde, jedoch in den Farben grün, rot, gelb.

Es ist kaum anzunehmen, schriftliche Quellen fehlen, dass Nidwaldner Anhänger der Helvetik tatsächlich als Hilfstruppen der Franzosen agierten und den eigenen Leuten Häuser und Ställe anzündeten, dass also die Brände auch «von Verrätherhänden» gelegt wurden. Der Zeichner bringt aber zum Ausdruck, dass die Front des Widerstands in Nidwalden keineswegs geschlossen war. Damit hat er zweifellos Recht. Es gab Kräfte in Nidwalden, die den Errungenschaften der Französischen Revolution positiv gegenüberstanden und einen verlustreichen Abwehrkampf, der von vornherein verloren war, ablehnten – wie das auch von Obwalden und Hergiswil bekannt ist, wo die Helvetische Verfassung im Unterschied zu Nidwalden angenommen wurde. Den Ausschlag für eine solche Haltung gab nicht zuletzt die Tatsache, dass die gegnerische Armee zahlenmässig zehnmal so stark war wie das eigene Aufgebot. Dazu gab es in der Führungsschicht zahlreiche Wendehälse, die selbst bei mehrmaligen Wechseln des politischen Systems in den Führungsämtern verblieben.

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Der Autor des «Vaterunser eines Unterwaldners», Johann Martin Usteri (1763–1827)

Sein Herkunfts- und Wirkungsort war Zürich. Hier liess er sich zum Künstler ausbilden und gehörte schliesslich zur geistigen Elite der Stadt. Dass er Mitglied der zürcherischen Zunft zur Waag war, betont seine gesellschaftliche Stellung. Usteri war nicht allein Dichter, sondern auch Maler und Zeichner. Bekannt wurde er jedoch durch seine Dichtungen, die er in Zürcher Mundart verfasste.

Eine breitere Öffentlichkeit kennt heute vor allem noch einen populären Liedtext von Johann Martin Usteri, nämlich den Text zur bekannten Melodie «Freut euch des Lebens». Sie wurde zum Volkslied und zeigt exemplarisch, dass manche Texte Usteris idyllisch-volkstümlich geprägt waren. Andere Gedichte von ihm sind in patriotischem Ton gehalten.

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«So beteten die Kapuziner nicht»

«Einige Priester und Kapuziner bestärkten die Nidwaldner, die in der Helvetischen Verfassung ihren alten Glauben bedroht sahen, zum Kampf. Diese fanatische Haltung von Geistlichen inspirierte vermutlich Johann Martin Usteri zur Bilderfolge ‹Das Vater Unser eines Unterwaldners›, mit der er in ‹edle Galle getaucht›, wie er es selber ausdrückte, gegen die blutige Niederschlagung des Nidwaldner Volksaufstandes protestieren wollte. Usteri berichtet, wie ein Nidwaldner Älpler und sein Enkel vom Schicksal der Revolution heimgesucht werden. Jede Sequenz nimmt Bezug auf einen Vers des Vaterunsers. So beteten die Kapuziner natürlich nicht.»

Christian Schweizer: Die Kapuziner und der 9. September 1798, in: 1798 – Geschichte und Überlieferung. Stans 1998, S. 194–221, hier S. 209

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So könnte es gewesen sein: Franzosen dringen in ein Haus ein

Vaterunser eines Unterwaldners
Der alte Tromler, Lithographie, 20 x 26 cm, undatiert
Nidwaldner Museum, Stans

Man kennt zwar weder den Maler noch die Entstehungszeit dieses etwa A4-grossen Druckblatts. Aber viel spricht dafür, dass sich unzählige Szenen so abgespielt haben könnten. Was hier weiter geschieht, mag man sich gar nicht vorstellen. Vermutlich verschonten die Franzosen die Bevölkerung von Nidwalden vor allem dann nicht, wenn sie vermuteten, in einem Haus würden Geld oder Kostbarkeiten versteckt und wenn sie befürchteten, die verschonten Menschen könnten ihnen nach dem Verlassen eines Hauses oder einer abgebrannten Behausung in den Rücken fallen.

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Zum Flurnamen Trittweid

In einer Quelle um 1839 findet sich der Hinweis: «mein weyd, Tritt genant, in Kürsitten, stosst obsich auf den grad, an Kilchbiel und Capelmatti».

nach Hug Albert / Weibel Viktor: Nidwaldner Orts- und Flurnamen. Lexikon, Register, Kommentar, in 5 Bänden. Stans 2003